Es heißt ja, dass die besten Ideen beim Austausch in den Kaffeepausen entstehen. Dr. Thorsten Neumann, Head of Research Coatings bei Continental, kann das bestätigen. „Dabei trinke ich eigentlich lieber Tee“, sagt Neumann. „Aber die kleinen Pausen in der Kaffeeküche gehören auch für mich zum Informationsaustausch dazu.“ Bei einer dieser Pausen verwehrte die Kaffeemaschine wie so oft kurzzeitig ihren Dienst – ohne großes Unheil, lediglich mit dem blinkenden Hinweis: Satzbehälter leeren. Als ein Kollege zur Tat schritt und den Behälter ausschüttete, kam Neumann ins Grübeln. Er zerrieb ein wenig des Kaffeesatzes zwischen seinen Fingern und dachte:
Kaffeesatz ist biobasiert und entsteht als Nebenprodukt quasi in Unmengen – gleichzeitig hat er spannende Materialeigenschaften und lässt sich als nachhaltig einstufen. Womöglich ein Kandidat als Rohstoff für ein nachhaltiges Kunstleder?
Kaffeesatz-Lesen mit dem Kollegen
„Wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, um unsere Produkte noch nachhaltiger zu machen – beispielsweise, indem wir den Anteil natürlicher und nachwachsender Rohstoffe erhöhen“, erklärt Neumann. „Bei unseren Bezugsstoffen mit sogenannter laif-Technologie setzen wir auf Funktionalität und Nachhaltigkeit. Damit sind die Bezugsstoffe und Kunstleder nachhaltig und gleichzeitig atmungsaktiv und luftdurchlässig – also wie geschaffen für Sitzmöbel mit integrierter passiver Klimatisierung.“ Neumann konnte seinen Kollegen Andreas Heckel, Development Spezialist im Bereich Research Coatings, sofort für die Kaffeesatz-Idee begeistern. Heckel überlegte kurz – und sagte schließlich: „Ja, lass uns die Idee gleich mal im Labor ausprobieren.“ Heute – wenige Jahre nach dem Kaffeepausen-Geistesblitz – bietet Continental seinen Kunden das innovative Kunstleder skai VyP Coffee auf Basis von Kaffeesatz an.
Wie beim guten Kaffee: Der Mahlgrad macht’s
„Die Idee, Kaffeesatz als Rohstoff zu nutzten, hat mich gleich fasziniert“, sagt Heckel begeistert. „Er ist natürlichen Ursprungs, bindet Methan und Kohlenstoffdioxid und wird in den Haushalten und Büros hierzulande in Massen produziert.“ Tatsächlich trinkt jede und jeder Deutsche durchschnittlich 170 Liter Kaffee pro Jahr. Dadurch entstehen jährlich rund 1 Million Tonnen Kaffeesatz. Ein Teil davon ersetzt im Bezugsstoff skai VyP Coffee mittlerweile chemisch hergestellte Rohstoffe. Dafür wird der Kaffeesatz zunächst getrocknet und sehr fein gemahlen. Es entsteht eine Paste, die mit verschiedenen weiteren Rohstoffen angereichert wird. „Zusammengefasst klingt das einfach, aber es gab sehr viele Stellräder, die wir ausloten und anpassen mussten, um so ein gelungenes Material hinzubekommen: Die Trocknung muss stimmen, der Mahlgrad darf nicht zu fein und nicht zu grob sein und am Ende kommt es natürlich auf die richtige Mischung an“, erklärt Neumann. „Die Arbeit im Labor wurde ständig von einem leichten Kaffeegeruch begleitet.“
Ein Standort mit Kaffee in der Blutbahn
Den Anteil an natürlichen, nachwachsenden und recycelten Inhaltsstoffen konnte das Unternehmen beim skai VyP Coffee auf 65 Prozent schrauben. „Dazu gehören nicht nur der Kaffeesatz, sondern auch recycelte PET- und Baumwollfasern, Steinsalz oder biobasierte Weichmacher“, erklärt Neumann. „Den Kaffeesatz haben wir klimaneutral getrocknet. Für die Produktion in unseren Werken setzen wir ohnehin auf grüne Energie.“ Und darüber hinaus noch auf eine ganz andere beachtliche Energie: das Engagement der Mitarbeitenden. „Am Anfang haben wir zu Versuchszwecken natürlich große Mengen an Testmaterial benötigt. In einem Quadratmeter skai VyP Coffee steckt immerhin der Satz von drei Tassen Kaffee. Am Standort Weißbach, wo die Idee entstanden ist, gab es keine einzige Abteilung, die uns dabei nicht unterstützt hat: Für die Kolleginnen und Kollegen ist das Ganze zu einem echten Herzensprojekt geworden“, sagt Neumann stolz und ergänzt augenzwinkernd: „Das waren wahrscheinlich die produktivsten Kaffeepausen in ganz Deutschland."
In Zukunft: Mehr als nur Kaffee
Der Kaffeekonsum in Weißbach spielt sich langsam wieder ein. „In Zukunft können Cafés nämlich ihren eigenen Kaffeesatz einbringen, aus dem wir den Bezug dann individuell fertigen“, erklärt Heckel. „Damit schließt sich auch für die Coffee Shops der Kaffeekreislauf.“ Abseits des beliebten Heißgetränks forscht man bei Continental mittlerweile mit weiteren natürlichen Stoffen, die ein mögliches Endprodukt im besten Fall nicht nur nachhaltiger machen, sondern sogar wertvolle Funktionen mit sich bringen. Im Arbeitsalltag wie in den Kaffeepausen gilt also weiterhin: Continental treibt die Suche nach neuen nachhaltigen Rohstoffen voran.
Übrigens: Beim Recherchieren und Schreiben dieses Beitrags hat der Autor so viel Kaffeesatz produziert, dass problemlos zwei Quadratmeter skai VyP Coffee damit hergestellt werden können.